Sehr geehrt…,
Am 26.11. steht im Innenausschuss die Diskussion über die dritte Option beim Geschlechtseintrag (Personenstand) auf der Tagesordnung. Das ist eine für uns persönlich sehr wichtige Debatte. Denn sie geht auch um unseren Personenstand.
Wir – Dorothea Giesche – von Rüden und Freyja Pe von Rüden – leben als Ehepaar zusammen in der Gemeinde Wardenburg in Niedersachsen. Wir sind eine intergeschlechtliche Person und eine trans*geschlechtliche Person, beide mit einer nicht-binären Geschlechtsidentität.
Ich, Dorothea Giesche – von Rüden, habe seit meiner Teenagerzeit gefühlt und in vielen Situationen immer wieder erlebt, was es heißt nicht wirklich eine Frau zu sein. Ich habe nie den Körpernormen für das weibliche Geschlecht entsprochen, hatte aber keine Worte für das, was ich bin.
Ich habe Hormone geschluckt und die Nebenwirkungen waren so gravierend, dass ich beschloss, nicht mehr weiter zu leiden und ich habe sie abgesetzt. Ich habe mich ganz auf andere Aspekte meines Lebens wie z.B. die entwicklungspolitische Arbeit konzentriert. Ich habe rund um die Freilassung von Nelson Mandela für einen Oppositionsführer in Südafrika gearbeitet und wurde dadurch von vielen Menschen anerkannt.
Erst 2015 habe ich bei einer Konferenz an der Universität Oldenburg gelernt und später untersuchen lassen, dass meine mehr als 30 Jahre alte medizinische Diagnose eine Form von Intergeschlechtlickkeit ist und ich bin seither befreit und entspannt, verstehe die diskriminierenden Ausgrenzungen der Vergangenheit; ich bin keine Frau, aber ich ich bin auch keinesfalls ein Mann. Ich bin physisch intergeschlechtlich und identifiziere mich nicht als Mann oder Frau, habe also eine nicht-binäre Geschlechtsidentität.
Ich, Freyja Pe von Rüden, bin 1970 mit einem Körper geboren worden, der den Normen für das männliche Geschlecht entsprach und wurde folglich mit männlichem Geschlechtseintrag in das Geburtsregister eingetragen. Es hat aber nie meiner inneren Gewissheit entsprochen; als „Junge“ betrachtet zu werden, es war für mich von Kindheit an falsch. 2016 habe ich meinen Vornamen ändern lassen und werde heute von den meisten Menschen als Frau gelesen. Ich bin also trans*geschlechtlich.
Ich betrachte mich aber selber nicht 100% als Frau, und weder mein derzeitiger Körper noch meine Identität passen in ein Bild einer strikten Zweigeschlechtlichkeit. Für mich ist meine Trans*Geschlechtlichkeit ein positiver Teil meiner Identität, kein „Fehler“, den ich verleugnen möchte. Ich habe mich daher 2016 bewusst entschieden, bei meiner Vornamensänderung nach Transsexuellengesetz den Personenstand nicht gleichzeitig zu „weiblich“ zu ändern. Zu diesem Zeitpunkt gab es im deutschen Recht keinen Ansatz zu einer Beschreibung außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit.
Das heisst, wir gehören beide zu der vom BVerfG-Urteil zur dritten Option definierten Gruppe. Wir sehen es als unser Recht an, diese Tatsache nach der Entscheidung von 2017 in unseren Geburtsurkunden zu bestätigen.
Die Anerkennung im Personenstandsrecht wäre für viele von uns – intergeschlechtliche wie nicht-binär trans*geschlechtliche Personen – eine große Erleichterung im Alltagsleben, bei Behörden und Institutionen, und würde außerdem endlich unsere nur statistische Sichtbarkeit vergrößern. Es entspricht auch unserem Recht auf Selbstbestimmung über unseren Personenstand. Wir wissen, wer wir sind und wie wir fühlen und das entspricht eben diesem dritten Personenstand, der nicht binär ist, nicht männlich und nicht weiblich.
Wir sehen keinen Grund und keinen Anlass, erneut ein Attest dafür vorzulegen. Kein Kind muss nachweisen, dass männlich oder weiblich eingetragen wird und kein Erwachsener kann folgerichtig gefragt werden, das eigene Geschlecht durch ein Attest zu belegen. Ich, Dorothea Giesche von Rüden, kann mir als Therapeutin kein Attest ausstellen. Aber als Mensch können wir beide erklären, unser Geschlecht muss die Dritte Option in den Papieren abbilden. Wir möchten schreiben, dass ich Dorothea divers – inter – nicht-binär bin und ich Freyja P#e nicht-binär bin und das kann unter dem Eintrag in unseren Geburtsurkunden als dritte Option stehen.
Das neue Gesetz macht die dritte Option an körperlichen Merkmalen („Chicagoer Konsens“) fest, obwohl dies im BVerfG-Urteil nicht so eingeschränkt wird.
Dadurch entsteht die absurde Situation, dass nicht alle Inter*personen (=medizinische psychopathologische Diagnose nach dem ICD 11 in einem Attest nachzuweisen) die dritte Option wollen, während nicht-binäre Trans*personen (=keine Inter*diagnose) sie wegen der Attestpflicht und Einschränkung auf den medizinischen Katalog, der zudem bei Inter* nie endgültig und vollständig ist, nicht bekommen können.
Sollte das Gesetz so mit der Attestpflicht beschlossen werden, müssen wir dagegen klagen und die Aussichten sind dann nicht so schlecht für den Klageweg.
Es wäre für alle, auch Gerichte und die Gesetzgebung, viel einfacher und würde niemandem etwas nehmen, wenn die Personenstandsänderung für alle, ohne medizinisches Attest möglich wäre, zum Beispiel nur mit einer psychosozialen Beratung für eine informierte Entscheidung.
Mit freundlichen Grüßen,