Sehr geehrt… ,
ich schreibe Ihnen, weil ich als abinäre Person direkt von der Neuregelung des Personenstandsgesetzes betroffen bin, über das Sie am 26.11. im Innenausschuss diskutieren werden. Daher bitte ich Sie, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen meine Anmerkungen hierzu zu lesen und sich auf zwei kleine Gedankenexperimente einzulassen.
1.
Mussten Sie sich jemals einer medizinischen und/oder psychologischen Begutachtung unterziehen um sich einen „Beweis“ ausstellen zu lassen, dass Ihre Geschlechtsidentität „wirklich“ die ist von der Sie wissen dass sie es ist?
Wie bereit wären Sie, Ihre eigene Gewissheit über einen vermutlich wesentlich identitätsstiftenden Aspekt Ihrer Persönlichkeit – der zudem keiner anderen Person schadet – in Frage stellen zu lassen, beziehungsweise es hinzunehmen die Definitionsmacht darüber an Dritte abzugeben?
Vielleicht klingen diese Fragen zu absurd um sich ernsthaft auf dieses Gedankenexperiment einzulassen. Aber ich schreibe diese Zeilen nicht um zu „provozieren“ oder dergleichen, sondern weil ich nicht weiß, wie ich Ihnen meine persönliche Lage und die vieler anderer Menschen, die von der anstehenden Gesetzesänderung betroffen sein werden, begreiflich machen kann.
Ich hoffe, dass Sie auf diese Weise verstehen, wie entwürdigend und absurd eine so ausgestaltete Neuregelung wäre.
2.
Ich nehme an, Sie verorten sich weiblich/männlich. Wie wäre es für Sie, wenn Ihre Geschlechtsidentität und die aller anderen Personen die sich weiblich oder männlich verorten künftig ausschließlich unter dem Begriff „binär“ zusammengefasst würden, oder gar „divers“? (Denn schließlich ist ja davon auszugehen, dass schon zwei Frauen/Männer in ihrem weiblich-sein/männlich-sein an vielen Punkten „divers“ sein dürften.)
Würden Sie sich mit dieser einen Bezeichnung identifizieren?
Vielleicht würden Sie den Beschluss des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10.10.2017 (1 BvR 2019/16) zur Hand nehmen und dort etwa lesen:
Dabei ist mir bewusst, dass es angesichts der großen Bandbreite an nicht-binären Geschlechtsidentitäten den Wunsch gibt diese Vielfalt „übersichtlich“ abzubilden.