Innenausschuss: „Meine dritte Option“ – Jj

Mailwechsel mit Dr. Stefan Kaufmann MdB (CDU)➚ und Marc Henrichmann (CDU)➚

Von: Jj
Gesendet: Montag, 11. Juni 2018 17:54
An: K.; H.
Betreff: AW: Anfrage zum Thema Geschlechtseintrag und Abschaffung des TSG

Sehr geehrt* K.,
Sehr geehrt* H.,

Herzlichen Dank für Ihre Antwort. Es freut mich sehr, zu hören, dass Sie den Begriff „inter/divers“ vorziehen. Das geht mir ganz genau so.

Könnten Sie bitte genauer erklären, wer in diesem Fall die Rolle des Gesetzgebers einnimmt?

Meinem Verständnis nach könnte der vorliegende Gesetzentwurf
„Entwurf eines Gesetzes zur Anerkennung und zum Schutz der Geschlechtervielfalt sowie zur Änderung weiterer Vorschriften“
https://www.bmfsfj.de/blob/114066/8a02a557eab695bf7179ff2e92d0ab28/imag-band-8-geschlechtervielfalt-im-recht-data.pdf➚
BMFSFJ, Januar 2017, 327 Seiten: Teil 1 Gutachten, Teil 2 Gesetzes zur Anerkennung und zum Schutz der Geschlechtervielfalt
von der CDU Bundestagsfraktion in den Gesetzgebungsprozess eingebracht werden.

Oder innerhalb der CDU darauf hingewirkt werden, dass es in Deutschland nicht nur eine notdürftige Ergänzung des Personenstands gibt. Sondern dass an die Stelle der Gesetzesruine TSG, welche zu Recht in einigen Teilen schon als nichtig erklärt wurde, ein modernes Recht tritt, welches der zeitgemäßen Selbstbestimmung Rechnung trägt.

Wie die Homosexualität auch, ist die Transsexualität und die Intersexualität eine gar nicht so selten vorkommende Normvariante, und kein Grund, einem Menschen von Gesetzes wegen weitere Steine in den Weg zu legen.
Die im TSG noch festgeschriebene Begutachtung durch medizinische Experten sollte bei einer Sache, bei der einzig und allein die betroffene Person aussagen kann, welcher Geschlechtseintrag für die stimmig ist, nicht durch ein weiteres Gesetz fortgeschrieben werden, welches eine Dritte Option nur mit der medizinisch bescheinigten Diagnose Intersexualität erlaubt. Es wünschen sich weder alle Menschen mit Intersexualität eine Dritte Option, noch sind alle, für die die Dritte Option im Pass stimmig wäre intersexuell.

Ja, es zieht einen Rattenschwanz an Neuregelungen hinter sich her, wenn hier menschenfreundlichere Gesetze gemacht werden – aber es wäre ein riesengroßes Versäumnis, diesen historischen Anlass, diese dringenden Neuregelungen in die Wege zu leiten, nicht zu nutzen.

Dem Gesundheitssystem entstehen jährlich hohe Kosten, weil Menschen mit Intersexualität und Transsexualität, sowie nicht-binäre Menschen nicht richtigen den Zugang zur von ihnen benötigten Versorgung finden und bekommen. Weil ihnen bürokratische Hürden, wie fragwürdige psychiatrische Gutachten und eine erheblicher Aufwand für ein Gerichtsverfahren wie ein unbezwingbarer Berg gegenüber stehen. Durch die viele Unwissenheit bei Kassen, Ämtern, der Ärzteschaft wird dieser Berg und der Leidensdruck nicht kleiner. Viele verzweifeln angesichts dieser Hürden, so dass die Dunkelziffer an Menschen, die sich nicht im ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht wohl fühlen, erheblich größer sein dürfte, als die, die in Erscheinung treten.

Hier ist nur eine niedrigschwelligere Änderung des Personenstands, sowohl für intersexuelle Menschen, als auch für transsexuelle Menschen eine Lösung. Die, so wie eine Heirat, auf dem Standesamt angezeigt werden kann, und nicht mühsam und angsterfüllend vor Gericht erstritten werden muss.

Ich bitte Sie, hier Ihre Position als gewählte Vertreter der Bevölkerung zu nutzen, und sie für einen Gesetzgebungsprozess einzusetzen, welcher die oben genannten Ergebnisse, die von einer interministeriellen Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit Betroffenen-Verbänden erarbeitet wurde, umsetzt, und sie nicht missachtet.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, zumindest für die Dritte Option keine weiteren Hürden aufzubauen?
Sollten Sie weitere Informationen benötigen, stehe ich gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.

Freundliche Grüße,

Jj


Von: Jj Gesendet: Freitag, 5. Oktober 2018 11:35
An: H.
Cc: K.
Betreff: AW: Anfrage zum Thema Geschlechtseintrag und Abschaffung des TSG

Guten Tag H.,
Guten Tag S.,
Herzlichen Dank an Sie, S., für das Telefonat gerade eben zum Gesetzgebungsverfahren zu Dritten Option.

Ich habe Sie so verstanden, dass Ihre Strategie ist, in einem ersten Schritt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, und eine Reform des TSG später anzugehen. Das wäre sehr erfreulich und eine Ankündigung wert, denn monatlich quälen sich Menschen durch das teuere und belastende Verfahren!
Zur Umsetzung der Vorgaben: Diesen Abschnitt mit einer Frage zu dem Urteil hatte ich angekündigt, Ihnen noch zukommen zu lassen, verbunden mit der Frage, warum es wichtig erscheint, die Entscheidung an körperlichen Merkmalen fest zu machen?
Dass eine Sicherheit bestehen soll, dass sich der Eintrag nicht häufig ändert, verstehe ich. Dies wurde jedoch in anderen Ländern auch durch Sperrfristen gelöst, nach deren Ablauf erste eine weitere Änderung (falls nötig) möglich wäre – wie z.B. die im TSG genannten drei Jahre.
aus der Stellungnahme der Kampagne Dritte Option

http://dritte-option.de/wp-content/uploads/2018/07/Stellungnahme-Referentenentwurf.pdf➚
zum Urteil vom 10.10.2018

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/10/rs20171010_1bvr201916.html➚
„4. Der Eintrag soll nach dem Beschluss des BVerfG die Geschlechtsidentität schützen. Diese hängt jedoch nicht zwingend von der körperlichen Beschaffenheit eines Menschen ab. Den Eintrag des Personenstandes an medizinische Diagnosen zu knüpfen geht daher an der Rechtsprechung des BVerfG zum Schutz der geschlechtlichen Identität aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vorbei.
Neben den bereits genannten problematischen Punkten schließt der Gesetzesentwurf zahlreiche Personen, bei denen eine Kongruenz zwischen Geschlechtschromosomen, Genitale und Gonaden vorliegt, die aber dennoch nicht dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugehörig sind, aus.
Da das BVerfG bereits in zahlreichen Entscheidungen festgestellt hat, dass es nicht zwingend auf die körperliche Konstitution bei Geburt ankommt, sondern ausschlaggebend ist, ob eine Person sich selbst dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnet (BVerfGE 115, 1 (15); 116, 243 (263); 121, 175 (190); 128, 109 (124)) gehen wir davon aus, dass die in dem aktuellen Entwurf vorgenommene Begrenzung nicht verfassungsgemäß ist. Auch der aktuelle Beschluss des BVerfG stellt auf die geschlechtliche Identität ab (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16 – u.a. Rn. 39 f., 58).“

Sowohl die Frage, ob diese das BMJV anders sieht, als auch die Antwort auf die Bitte um Stellungnahme zum Gesetzentwurf des DMIR würde mich sehr interessieren.
Vielen Dank und freundliche Grüße!

Jj


Von: Jj
Gesendet: Dienstag, 6. November 2018 18:32
An: H. 
Cc: K. 
Betreff: AW: Anfrage zum Thema Geschlechtseintrag und Abschaffung des TSG

Guten Tag an das Abgeordneten-Büro H.!

Ich melde mich heut in der Nachfolge meiner Mail vom 5.10.2018, und möchte auch nach der ersten Lesung zum Gesetzentwurf zur Dritten Option meine dort formulierte Frage noch einmal stellen, bzw. deutlich machen, für wie wichtig ich es halte, eine von körperlichen Merkmalen unabhängige Regelung zu finden, die vor allem darauf basiert, dass die betroffenen Personen selbst erklären, mit welchem Eintrag sie sich richtig beschrieben fühlen:

Warum erscheint es wichtig erscheint, die Entscheidung an körperlichen Merkmalen fest zu machen?

Dass eine Sicherheit bestehen soll, dass sich der Eintrag nicht häufig ändert, verstehe ich. Dies wurde jedoch in anderen Ländern auch durch Sperrfristen gelöst, nach deren Ablauf erste eine weitere Änderung (falls nötig) möglich wäre – wie z.B. die im TSG genannten drei Jahre.

Die immerhin auch juristisch gebildeten Menschen von der Kampagnengruppe 3. Option haben wie unten aufgeführt das Urteil als „unabhängig von körperlichen Merkmalen auszulegen“ interpretiert. ist das ein Missverständnis, oder besteht hier Interpretationsspielraum?

Ich sehe keine Gründe, Menschen die selbstbestimmte Wahl des Geschlechtseintrag zu verwehren – da die Geschlechter ja doch gleichberechtigt sind, und die medizinische Behandlung unabhängig vom rechtlichen Konstrukt des Personenstand erfolgt.
Sowohl die Frage, ob diese das BMJV anders sieht, als auch die Antwort auf die Bitte um Stellungnahme zum Gesetzentwurf des DMIR würde mich sehr interessieren.

Herzlichen Dank für eine Antwort!

Freundliche Grüße,

Jj