Sehr geehrt* …,
zu der Gruppe Menschen gehörend, die nicht in das binäre Geschlechtersystem passen, begrüße ich Ihr Vorhaben, das Personenstandsgesetz um eine 3. Option zu erweitern, außerordentlich.
Als Psycholog*in betrachte ich die Aspekte menschlicher Identitäten als individuell empfundene Zugehörigkeiten z. B. zu einem Geschlecht, einer sozialen Schicht, einer Ethnie, einer Religion etc. Dabei vermag nur das einzelne Individuum zu entscheiden, welcher Aspekt zur individuellen Identität gehört, wie bedeutsam dieser für die eigene Identität ist und ob er sichtbar sein soll (s. Religionszugehörigkeit). Diese empfundenen Zugehörigkeiten sind gänzlich unabhängig von gegebenen Körperlichkeiten, was gerade auch durch Menschen mit transsexueller Identität belegt wird.
Für mich persönlich und viele andere Menschen trifft dies ebenfalls zu. Obgleich meine körperlichen Merkmale es auf der Grundlage der gängigen gesellschaftlichen Praxis zulassen, mich eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen, fühle ich mich diesem nicht zugehörig, sondern habe von klein auf eine nicht-binäre Geschlechtsidentität entwickelt.
Die fehlende Option für Menschen, denen die beiden zur Verfügung stehenden Geschlechterkategorien keine identitätsstiftende Heimat bieten, führen im alltäglichen Leben zu diskriminierenden und zutiefst entwürdigenden Situationen. Meine diesbezüglichen Erfahrungen möchte ich hier nicht im Einzelnen auflisten. Sicherlich werden Sie auch ohne diese Details nachvollziehen können, dass sowohl die psychische wie auch oftmals in der Folge die körperliche Gesundheit enormen Belastungen ausgesetzt ist.
Hier könnten Sie Abhilfe schaffen, indem Sie nicht nur einen dritten Geschlechtseintrag ermöglichen, sondern diesen auch für alle Menschen zugänglich machen, die sich der Option „divers“ zugehörig empfinden. Dabei sollten sogenannte Bindestrich-Identitäten in gewissem Umfang ergänzend diesem Geschlechtseintrag zugefügt werden können.
Abwegig ist in diesem Zusammenhang, menschliche Identitäten medizinisch oder psychologisch attestieren zu lassen. Das schließt aber eine psychosoziale Beratung für Menschen, die dies wünschen, nicht aus.
In meinem Fall entbehrt das Gesetzesvorhaben in seiner derzeitigen Fassung nicht einer gewissen Absurdität. Es würde mich nötigen, mir meine Identität von einem Menschen meines Berufsstandes oder medizinisch attestieren zu lassen, und zugleich ermöglichte es mir als Psycholog*in, anderen Menschen ihre Identität zu bescheinigen.
Wenngleich für mich persönlich der anstehende Gesetzentwurf noch nicht das Ende des Weges sein darf, so ist er doch ein wichtiger Teilschritt, der – so meine Hoffnung – Ende diesen Jahres in ein Gesetz mündet, das die Definitionshoheit über die Geschlechtsidentität in die Hände eines jeden einzelnen Menschen legt.
Mit freundlichen Grüßen